Vorarlberg als innovativer Wirtschaftsstandort.
Wie innovativ ist Vorarlberg? Landesobmann Marco Tittler spricht über seine persönliche Definition des Begriffs, nennt konkrete Beispiele aus dem Land Vorarlberg und erklärt, an welchen Stellen er noch Aufholbedarf sieht.
↗ Herr Landesrat, auf der Suche nach Definitionen von Innovation stößt man auf Begriffe wie Neugier, Lust auf Erneuerung, Kreativität. Wie lautet Ihre Definition?
Marco Tittler: Kreativität spielt eine große Rolle, vor allem in der Forschung. Wenn es aber um Innovation geht, hat mir einmal ein Unternehmer gesagt, ist es dann Innovation, wenn man am Ende damit auch Geld verdienen kann. Alles andere ist eine Idee. Ob es um Produkte, Prozesse oder eine neue Herangehensweise geht: Am Ende des Tages muss sich die Innovation in einer Weiterentwicklung niederschlagen – nur so geht sie über eine reine neue Idee hinaus. Marktfähigkeit und Umsetzung sind dabei die entscheidenden Faktoren.
Foto: F. Sams
↗ Wer bringt aus Ihrer Sicht Innovation auf den Weg?
Marco Tittler: In Vorarlberg gibt es viele innovative Unternehmen, das sieht man unter anderem an den zahlreichen eingereichten Patenten. Innovativ sind aber nicht nur die großen Unternehmen, sondern darüber hinaus auch viele kleinere Unternehmen, die Innovationen vielleicht weniger systematisch – beispielsweise ohne Kooperation mit einem Forschungszentrum – betreiben, aber dennoch sehr innovativ sind. In beiden Fällen liegt die Stärke darin, sehr nahe am Kunden zu sein. Durch diese enge Abstimmung entstehen erfolgreiche Innovationen oft sehr schnell.
↗ Welche Rolle können Sie dabei als Wirtschaftslandesrat einnehmen?
Marco Tittler: Für mich geht es um mehrere Ebenen. Zum einen sind das gute, generelle Rahmenbedingungen für Unternehmertum und Wirtschaft, zum anderen konkrete Unterstützung beim Transfer von Know-how und Technologie. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wirtschafts-Standort GmbH, die WISTO, die auch kleine und mittlere Unternehmen berät. Beim Forschungsstandort Vorarlberg sind sicherlich Kooperationen das Schlüsselwort, zum Beispiel im Hinblick auf die Universität St. Gallen. Zudem haben wir in einer Kooperation mit der Fachhochschule das AIT, das „Center for Digital Safety and Security“ und größte außeruniversitäre Forschungszentrum Österreichs, nach Vorarlberg geholt. Das ist ein Angebot an die Vorarlberger Wirtschaft. Bundes- und EU-weite Forschungsprogramme wie „Comet“ oder „Horizon“ müssten noch stärker in Anspruch genommen werden.
„Neugier und Mut zur Erneuerung: Das gilt für alle Branchen. Beides treibt unsere Unternehmen zu kreativen und innovativen Hochleistungen.
Wirtschaftslandesrat und Landesobmann Marco Tittler
↗ Immer wieder ist von der Modellregion Vorarlberg zu hören und zu lesen. In welchen Bereichen liegt Vorarlberg vorne?
Marco Tittler: Vorarlberg hat den Strukturwandel gut gemeistert: Von der klassischen Industrie, die stark von der Textilwirtschaft dominiert war, hin zum breit aufgestellten Wirtschaftsstandort. Das liegt an den Persönlichkeiten in den einzelnen Firmen. Damit meine ich sowohl die Unternehmerinnen und Unternehmer als auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Dazu trägt zum Beispiel auch die duale Ausbildung bei. Eine spannende Fragestellung, auch wenn es vielleicht zunächst komisch klingen mag: Kann eine fehlende Universität in Vorarlberg auch einen Vorteil darstellen?
↗ Wie meinen Sie das?
Marco Tittler: Wenn Vorarlbergerinnen und Vorarlberger an einer Universität studieren möchten, müssen sie die Heimat verlassen. Dadurch sind sie gezwungen, sich aus dem gewohnten Umfeld zu lösen. Wenn sie zurückkommen, vergessen sie zwar ihre Wurzeln nicht, bringen aber andere Sichtweisen mit. Ohne diesen Austausch wären viele Bereiche in Vorarlberg, die auf alten Traditionen aufbauen, vielleicht nicht so innovativ und auf diesem hohen Niveau, das international geschätzt wird. Gleichzeitig gilt es, das Hochschulangebot im Land auch ständig weiterzuentwickeln. Ein ganz wesentlicher weiterer Punkt für die Modellregion ist die günstige Lage, in dem eine sehr hohe Wirtschaftskraft und intakte Natur zusammenkommen.
Foto: A. Serra
↗ In welchen Bereichen kann Vorarlberg von anderen Regionen lernen?
Marco Tittler: Junge Leute haben heutzutage andere Ansprüche an die Flexibilität eines Arbeitgebers, da sind wir noch nicht ganz so weit. Mit einem jungen und urbanen Umfeld könnten wir bessere Bedingungen für Start-ups schaffen, ohne uns mit Metropolen wie Berlin oder Wien vergleichen zu wollen. Im gezielten Recruiting haben wir ebenso Luft nach oben. Vorarlberg hat so viel zu bieten, hat ganz große Stärken. Diese Stärken müssen wir noch mehr ins Zentrum rücken, gerade wenn es um das Recruiting von Fachkräften geht. Arbeiten, die Natur genießen, Skifahren oder den Bodensee erleben: Ein Leistungsversprechen, das nur wenige Regionen weltweit garantieren können.
„Wir setzen zudem auf Digitalisierung, auf Technologie: Das ist der Schlüssel für Innovation. Im Unternehmertum öffnet sie Türen, die wir zuvor nicht einmal gesehen haben.“
Marco Tittler
↗ Zum Abschluss ein Gedankenspiel: Die „Marke Vorarlberg“ verspricht, im Jahr 2035 Kindern den chancenreichsten Lebensraum anzubieten. Wenn wir uns 2035 wiedertreffen: Was hat sich bis dahin verändert?
Marco Tittler: Wir werden in einigen Bereichen besser aufgestellt sein: in der Kinderbetreuung und einem pointierteren Hochschulangebot. Das Gesundheits- und Sicherheitssystem wird nach wie vor gut sein, ebenso die vielfältigen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Beim Thema Infrastruktur wird sich die Anbindung an unsere Nachbarn hoffentlich etwas verbessert haben, sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene. Breitbandausbau ist ein weiteres Thema.
Dieser Artikel stammt aus dem Magazin Vorarlberger Wirtschaft Ausgabe #001.
Das Gespräch führte Thorsten Bayer, der seit 2011 als freier Texter und Lektor
für Auftraggeber aus Industrie, Verwaltung, Kultur und Tourismus tätig
ist sowie mit Medien-, PR- und Werbeagenturen zusammenarbeitet.