Der Regulierungswahn muss aufhören!

4. Jun. 2024 | Allgemein

© Foto: Udo Mittelberger

Der Regulierungswahn muss aufhören!

4. Jun. 2024 | Allgemein

Im Gespräch mit Markus Comploj, CEO der Getzner Holding und Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg.

Die Geschichte der Firma Getzner reicht zurück bis ins Jahr 1818, als sich Getzner Textil auf das Spinnen und Weben von Baumwolle für den lokalen Markt konzentrierte.

Als weiterer Unternehmensteil kam Getzner Werkstoffe dazu: ein weltweit führender Spezialist für Schwingungsisolierung. Beispielsweise arbeitete das Unternehmen am neuen Gotthardtunnel mit. Heute beschäftigt die Getzner Gruppe über 2.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 25 Standorten und Niederlassungen weltweit. Der Jahresumsatz liegt bei rund 670 Millionen Euro. Der Exportanteil des Unternehmens liegt dabei deutlich über 90 Prozent.

Im Interview spricht CEO Markus Comploj unter anderem über Internationalisierung, nennt Stärken und Schwächen des Standorts Vorarlberg und formuliert Wünsche an die Politik.

↗ Im Oktober 2023 erfolgte der Spatenstich für die Betriebserweiterung des Hauptsitzes der Getzner Textil AG in Bludenz. Wie wichtig ist Ihnen der Sitz der Getzner Unternehmen in Vorarlberg für Ihr Gesch.ft, das stark auf Export ausgelegt ist?
Markus Comploj: Als ältestes noch produzierendes Industrieunternehmen und als Getzner Gruppe unter den Top 5 Arbeitgebern in Vorarlberg sind wir uns unserer sozialen Verantwortung bewusst. Unseren Stakeholdern und der Region sehen wir uns verpflichtet, die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin sicherzustellen, Arbeitsplätze zu sichern und den Wohlstand aufrechtzuhalten. Für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg spricht trotz schlechter werdenden Rahmenbedingungen einiges.

↗ Und das heißt konkret?
Markus Comploj: Beispielweise gut ausgebaute Infrastruktur, die jedoch speziell im Bahnbereich noch Luft nach oben hat. Die Innovationskraft sowie die qualifizierten Arbeitskräfte und nicht zuletzt die hohe Lebensqualität in einer atemberaubenden Landschaft. Diese Vorteile schmelzen jedoch dahin. Wir müssen uns auf unsere alten Vorarlberger Tugenden konzentrieren: Zuverlässigkeit, hohe Arbeitsmoral sowie Fleiß!

↗ Wie schätzen Sie den Stand der Vorarlberger Wirtschaft insgesamt ein?
Markus Comploj: Insgesamt steht die Vorarlberger Wirtschaft im nationalen und internationalen Vergleich gut da. Einige Stärken sind die Branchenvielfalt, die Innovationskraft und unsere duale Ausbildung zur Arbeitskräftequalifikation. Verbesserungspotenzial bieten beispielsweise die Behördenverfahren sowie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen, um den Facharbeitermangel zu beheben. Über allem steht jedoch derzeit, den Faktor Arbeit schnellstmöglich zu entlasten. Wir sind mit den derzeitigen Personalkosten nicht mehr wettbewerbsfähig!

Foto: Udo Mittelberger

↗ Werfen wir den Blick ins Ausland: Welche Märkte sind für Getzner die wichtigsten?
Markus Comploj: Für den Textilbereich sind es Europa, im Speziellen der DACH-Raum, und die westafrikanischen Staaten. Die Werkstoffe haben Mitteleuropa als Stammmarkt, wobei das Wachstum in anderen Kontinenten generiert wird. Die Internationalisierung wurde in den letzten Jahren massiv vorangetrieben. Investition in einen weltweiten Vertrieb hat sich gerade in Zeiten wie diesen, in denen Europa schwächelt, bezahlt gemacht.

↗ Wo sehen Sie in Zukunft die größten Wachstumschancen?
Markus Comploj: Das Wachstum über die Produkte ist sicher noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Durch weitere Innovationen und Produktentwicklungen können die Stammmärkte noch ausgebaut werden. Die Marktdurchdringung in bestehenden Märkten und die weitere Internationalisierung vor allem in Schwellenländern und Nordamerika haben für uns großes Potenzial. In den von uns fokussierten Märkten ist das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum zum einen und die Investitionen in Infrastruktur zum anderen maßgebend.

↗ Welche Faktoren erleichtern Getzner das Zusammenspiel der Märkte?
Markus Comploj: Internationale Handelsabkommen zwischen Ländern oder Wirtschaftsregionen und Fortschritte in der Technologie. Einer der wichtigsten Faktoren ist jedoch das Verständnis für die kulturellen Unterschiede und die Vielfalt in den verschiedenen Märkten, um unsere Produkte und Marketingstrategien besser an die Bedürfnisse und Präferenzen der Kunden anzupassen.

↗ Und welche Faktoren sind erschwerend?
Markus Comploj: Das sind die derzeitigen Handelskonflikte zwischen vielen Ländern und protektionistische Maßnahmen, wie erhöhte Zölle und Handelsbeschränkungen. Die wirtschaftliche Instabilität in bestimmten Regionen beeinträchtigt das Vertrauen der Verbraucher. Die regulatorischen Hürden und bürokratische Barrieren hemmen die Geschäftstätigkeit zudem. Für uns geht es daher um die Diversifizierung der Absatzmärkte, die Überwachung von politischen Strömungen und die Entwicklung flexibler Produktions- und Lieferketten.

↗ Welche konkreten Maßnahmen wünschen Sie sich von der Politik für eine gute Zukunft Ihres Unternehmens?
Markus Comploj: Kurz gesagt: Der Regulierungswahn muss aufhören! Statt sich mit einer europäischen Energiepolitik zu beschäftigen, die Kapitalmarktunion zu vollenden und die Stärkung der Beziehungen zu aufstrebenden Weltregionen auszubauen, gibt die EU den weltverbessernden Oberlehrer. Niemand will Kinderarbeit und jeder will eine intakte Erde. Doch mit der derzeitigen Nachhaltigkeitsberichterstattung und dem Lieferkettengesetz haben wir uns einen Verwaltungsmoloch geschaffen und katapultieren uns ins wirtschaftliche Abseits! Die Besinnung auf die genannten Vorarlberger Werte würde von Bregenz über Wien bis Brüssel und Straßburg allen Entscheidungsträgerinnen und -trägern guttun.

Dieser Artikel stammt aus dem Magazin Vorarlberger Wirtschaft Ausgabe #003.

Das Gespräch führte Thorsten Bayer, der seit 2011 als freier Texter und
Lektor für Auftraggeber aus Industrie, Verwaltung, Kultur und Tourismus tätig
ist, sowie mit Medien-, PR- und Werbeagenturen zusammenarbeitet.

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