Kaum eine Diskussion im Zusammenhang mit den wirtschaftspolitischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit kommt am Begriff Bürokratie – besser Bürokratieabbau – vorbei. In welche Richtung soll sich unser Land zukünftig bewegen? Natürlich müssen im Staat, in einer Demokratie, wichtige Dinge klar, umfassend und fair geregelt sein. Auch das sogenannte „wirtschaftliche Leben” profitiert letztendlich davon.
Moderne Volkswirtschaften zeichnen sich unter anderem durch eine funktionierende Bürokratie aus. Fast einhellig und über sämtliche Branchen hinweg herrscht unter Wirtschaftstreibenden aber mittlerweile der Tenor vor, dass wir in Österreich und in der Europäischen Union hier bisweilen über das Ziel hinausschießen. Der Staat, also die öffentliche Hand, würde viele Dinge durch eine Fülle von Vorschriften, Richtlinien und Verordnungen zu detailliert, zu genau und nicht selten zu weit weg von den Lebensrealitäten vorgeben. Effizienz und praktikable, fortschrittliche Lösungen leiden darunter. Trifft dieser vielleicht etwas allgemeine Befund tatsächlich die Wahrheit? Haben zukünftige Regierungen – egal welcher Konstellation und auf welcher politischen Ebene – hier dringenden Handlungsbedarf? Ein Blick hinter die Kulissen der folgenden Bereiche und die Erfahrung unterschiedlicher Branchenvertretungen zeichnet jedenfalls ein klares Bild.
↗ Glas Marte: Klarer Durchblick mit Lösungen aus Glas
Unternehmen stehen durch langwierige Behördenvorgänge oft vor enormen Herausforderungen, da sie sich aufgrund
langer Verfahrensdauern immer neu in die Themen einarbeiten müssen. Bernhard Feigl, Geschäftsführer von Glas Marte
und gleichzeitig Obmann der Sparte Gewerbe & Handwerk, spricht gleich eine der größten Herausforderungen beim
Thema Bürokratie an.
Zeitverlust, mangelnde Erreichbarkeit und ein gewisser Ressourcenmangel auf Seiten der Behörden sieht Feigl dabei als die hauptsächlichen Auswirkungen von zu hohen bürokratischen Hürden. Lange Bearbeitungszeiten kosten wertvolle Arbeitszeit. Zuständige Behörden sind oft schwer erreichbar. Für eine effiziente Bearbeitung der Anträge fehlen häufig die nötigen Ressourcen.
Eine Brücke zum Bürokratieabbau könnte laut Bernhard Feigl dabei eine gesteigerte Effizienz sein, oder in seinen Worten: „Vor allem im Handwerk, wo Effizienz eine tragende Rolle spielt, ist eine Entbürokratisierung essenziell, um Zeit- und Ressourcenverschwendung zu vermeiden.” Konkret nennt er folgende Maßnahmen, wie die Situation verbessert werden könnte: beschleunigte Bearbeitungsverfahren, digitale Prozesse, bessere Verfügbarkeit und Erreichbarkeit sowie effizientere Bearbeitung.
„In der öffentlichen Wahrnehmung scheint der Wert effizienter Prozesse oft nicht mehr geschätzt zu werden. Umso wichtiger ist es, Effizienz nicht nur zu fordern, sondern auch zu fördern.“
Bernhard Feigl
Glas Marte GmbH und Spartenobmann Gewerbe und Handwerk
↗ HIG-Gruppe: Kompetenz und Fachwissen rund um Brandschutz, Sicherheitstechnik und Löschanlagenbau
Baurechtsverhandlungen, Betriebsanlagengenehmigungen, Seilbahnverfahren und ähnliche Aufgaben gehören zum Alltag der rund 80 Mitarbeitenden der HIG-Gruppe. Für ihren Geschäftsführer Wolfgang Huber ist Vorarlberg in Bezug auf die Behördenverfahren und die Prüfung der Unterlagen von Sachverständigen ein durchaus fortschrittliches Bundesland. „Jedenfalls was die Geschwindigkeit, Organisation, Kommunikation, gegenseitige Unterstützung und Umsetzung betreffen. Und dennoch: Wir erleben es, dass wir Konzepte bei Behörden einreichen und dann einige Zeit nichts mehr hören”, erzählt er.
Laut Wolfgang Huber besteht jedoch häufig eine gewisse Unsicherheit bei der Projektbeurteilung, dass aufgrund der Vielzahl von Richtlinien und Vorgaben in extrem detaillierter Formulierungstiefe irgendein Detail vergessen oder nicht berücksichtigt werden könnte. Aus Angst vor Konsequenzen wollen Behörden alles genau regeln, was jedoch den Handlungsspielraum einschränkt und wirtschaftliche Entscheidungen blockiert.
Der immer wieder geforderte Bürokratieabbau braucht demnach Mut und Expertise. „Ingenieurbüros müssen gute Konzepte entwickeln können. Wir müssen aber den Mut aufbringen, Richtlinien als Leitplanken und nicht als starre Vorschriften zu betrachten”, fordert der Obmann der Fachgruppe Ingenieurbüros.
„Wir haben in den Behörden eine Vielzahl an Mitarbeitenden, die zielorientiert handeln, oft aber aufgrund der bürokratischen Gegebenheiten nicht ‚aus der Haut‘ und somit inoovative Lösungen nicht unterstützten können.“
Wolfgang Huber
HIG-Huber Ingenieur Beteiligungs GmbH und Obmann der Fachgruppe Ingenieurbüros
↗ Hotel Zimba: Bergzauber zum Erleben
Steigende Herausforderungen beim Thema Bürokratie sieht auch Heike Ladurner-Strolz, die zusammen mit ihrer Familie das Vierstern-Hotel Zimba in Schruns führt – einerseits für den Standort Vorarlberg allgemein, aber genauso in der Hotellerie und Gastronomie im Speziellen.
„Überbordende Bürokratie kostet uns in den letzten Jahren einfach viele Stunden im Büro, die wir eigentlich beim Gast oder mit unseren Mitarbeitenden verbringen sollten. Gerade in kleineren Familienbetrieben bleibt diese Arbeit leider häufig an der Familie hängen”, so die erfolgreiche Hotelmanagerin, die sich zusätzlich als Vizepräsidentin der Österreichischen Hotelvereinigung engagiert.
Sie macht anhand eines Beispiels konkret, wovon sie spricht: Da gibt es etwa die verpflichtende „Leistungsstrukturerhebung”
der Statistik Austria. Dabei handelt es sich um einen mehrseitigen Fragebogen verschiedenster relevanter Größen wie Personal, Aufwände, Erträge, Inventurwerte etc. „Das alles erfordert mittlerweile einen immensen Zeitaufwand und ist ohne Miteinbeziehen der Buchhaltung selbst gar nicht mehr machbar, was dann zusätzliche Kosten verursacht…”
„Gesetze und Regeln einzuhalten und umzusetzen, ist eine Sache. Diese aber am laufenden Band dokumentieren zu müssen, sprengt oft jeden Rahmen – die Digitalisierung ist hier für die Zukunft sicherlich eine große Hilfe.“
Heike Ladurner-Strolz
Hotel Zimba und Vizepräsidentin Österreichische Hotelvereinigung
↗ ÖWD: Professionelle Security Services
Im Zusammenhang mit dem Thema Bürokratie und dem vielfach geforderten Abbau derselben sollten jedenfalls die Kosten nicht außer Acht gelassen werden, sagt Pius Nachbaur, ÖWD-Landesdirektor für Vorarlberg und Fachgruppenobmann der gewerblichen Dienstleister: „Durch die wirtschaftlich angespannte Situation, auch stimmungsmäßig, herrschen ein großer Kostendruck und vor allem Verunsicherung. Die hohen Lohnabschlüsse, Energiekosten etc. haben zu wesentlich höheren Kosten geführt.” Ein steigender (Zeit-)Aufwand für bürokratische Prozesse im Betrieb trägt weiter dazu bei.
Es sind etwa statistische Meldungen an verschiedenste öffentliche Stellen mit teilweise deckungsgleichen Informationen, an die Nachbaur hier denkt – wie beispielsweise Konjunkturentwicklungsfragen an die Statistik Austria. Oder das Förderwesen mit lokalen, regionalen und nationalen Maßnahmen. „Für ein österreichweit tätiges Unternehmen wie den Österreichischen Wachdienst ist das nicht mehr wirklich überblickbar”, meint Nachbaur. Hinzu kommt die je nach Land oder Region unterschiedliche Umsetzung. Eine Vereinheitlichung und weitere Digitalisierung wären hier dringend geboten.
„Wir brauchen wieder einen Wandel hin zu einer Gesellschaft, die wirtschaftlich nach vorne strebt, weil es sich lohnt. Diese Herausforderung müssen wir mutig und ohne Tabus angehen.“
Pius Nachbaur
ÖWD Vorarlberg und Fachgruppenobmann der Gewerblichen Dienstleister
↗ Wälder Dach: Echtes Bregenzerwälder Handwerk
Eine weitere Gefahr durch die Überregulierung und ein zu viel an Bürokratie sieht Roman Moosbrugger gerade im Bereich
der Gewerbe- und Handwerksbetriebe durch den wachsenden Verlust an Motivation. „Mehr und mehr junge Menschen wollen sich die derzeitigen Hürden und Überregulierungen nicht mehr antun. Sie schließen ihre Unternehmen und suchen sich ein sorgenfreieres Leben. Leider wird hier zu oft die Motivation eines Betriebsnachfolgers abgesägt”, findet der erfahrene
Gewerbetreibende und Geschäftsführer des Bregenzerwälder Dachdecker-Unternehmens Wälder Dach klare Worte.
Moosbrugger ist Innungsmeister der Dachdecker, Glaser und Spengler sowie gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und
kennt sich daher mit den unterschiedlichen Normen im Bauhandwerk bestens aus. „Unsere Branche, das gesamte Handwerk und Gewerbe, hat sich über Jahrhunderte entwickelt und bestand immer aus Erschafferinnen und Erschaffern. Das ist für mich eine einzigartige Qualität im Unternehmertum. Diese sollten wir uns auch für die Zukunft erhalten und nicht durch ein zu viel an Verwalten blockieren”, bekräftigt der überzeugte Handwerker.
„Hand, Herz und Hirn sind wesentlich, damit das Handwerk funktioniert. Mehr und mehr Junge wollen sich jedoch die derzeitigen Hürden und Überregulierungen nicht mehr antun.“
Roman Moosbrugger
Moosbrugger Dach GmbH und Innungsmeister Dachdecker, Glaser und Spengler
↓ Unsere Aufgabe
Einheitliche Regeln geben Sicherheit. Um jedoch Unternehmerinnen und Unternehmer zu entlasten, dürfen die bürokratischen Vorgaben in Österreich und der EU nicht weiter in dem Maß steigen, wie in der Vergangenheit. Die zuvor genannten Beispiele und Herausforderungen sprechen hier für sich. Und vielfach ginge es rein um Vereinfachungen von Abläufen und Prozessen. „Der Wirtschaftsbund setzt sich auf allen Ebenen für einen Rückbau und, wo sinnvoll, gänzlichen Abbau von bürokratischen Hürden und Pflichten ein”, sagt auch Wirtschaftsbund-Obmann Marco Tittler. Das Ziel muss sein, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft wieder nachhaltig zu stärken.
Autor: Bernhard Tschann ist Kommunikationsberater und
Agenturleiter bei der Dornbirner Agentur ikp Vorarlberg.
Dieser Artikel stammt aus dem Magazin Vorarlberger Wirtschaft Ausgabe #005.