Zwei Unternehmer über krisensicheres supply-chain-Management und die Voraussetzungen für wirtschaftliche Nachhaltigkeit.
Sie fahren wieder, die Containerschiffe. Der Corona-Schock klingt ab. Doch die Pandemie hat die Lieferketten ganz schön durchgerüttelt. Güterverkehr und Produktionen auf der ganzen Welt lagen plötzlich brach, etliche Prozesse standen still. Werfen wir einen Blick auf die Situation heute – und in die Zukunft.
Beziehungen als Baustein im Risikomanagement
An manchen Stellen knirschen die Lieferketten noch immer unter dem Druck, den die Pandemie hinterlassen hat. Darüber berichtet auch Bernd Klemisch von der Erne Fittings GmbH, die sichere, hochwertige Rohrleitungsverbindungen herstellt: „Die Weltwirtschaft hat es immer noch schwer, nach den Lockdowns wieder in ihren Takt zu finden. Hinzu kommt der Russlandkrieg, denn die Ukraine war für einige unserer Industrien ein Hauptlieferant für Rohstoffe und Vorleistungsprodukte. Außerdem wurde die westliche Wirtschaft gezwungen, Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu erlassen. Sanktionen, die mittel- bis langfristig nicht nur die russische Wirtschaft treffen, sondern bereits kurzfristig die Supply Chain für Energie in der westlichen Welt negativ beeinflussen.” Die Kunden, welche die Erne Fittings GmbH beliefert, sind weltweit tätige Unternehmen, die unter anderem Anlagen für die Energieindustrie planen und errichten. Schwerpunkt Erdöl, Erdgas, Nuklear, Fernwärme und auch Wasserstoff. „Auf dem Höhepunkt der Energiekrise hatten viele unserer Wettbewerber aufgrund zusammengebrochener Lieferketten Probleme mit der Versorgung ihrer Kunden, während wir als lagerhaltender Hersteller weiterhin pünktlich liefern konnten.”
Aber wie schafft es ein Unternehmen, in die eigene Widerstandsfähigkeit und Sicherheit zu investieren? Erne Fittings baut unter anderem auf stabile Beziehungen und spielt den Firmen-Claim „safe connection” in all seinen Facetten. „Das perfekte Lieferketten-Management gibt es oft nur in der Theorie, denn am Ende werden Geschäfte zwischen Menschen gemacht. Wenn sich Lieferant und Kunde gegenseitig gut kennen und verstehen, entsteht etwas sehr Wichtiges, man nennt es Vertrauen. Vertrauen, das wir seit über 100 Jahren bewusst durch Zuverlässigkeit und persönliche Beziehungen aufbauen und pflegen. Denn nicht nur der Preis, sondern Qualität und Lieferfähigkeit sind entscheidend. Beides spielt auch in die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit unsere Produkte.”
Schlagwort: Nachhaltigkeit
Erne Fittings bezieht die gesamte elektrische Energie aus Wasserkraft und zeigt auch in diesem Bereich Bereitschaft, mehr zu leisten, als gefordert ist. „Am Ende bleibt das geopolitische Risiko. Die damit verbundene Unsicherheit in der Weltwirtschaft hat sich in den letzten fünf Jahren wesentlich erhöht”, so Klemisch.
Foto: D.Todorovic
Wirtschaft vs. Politik vs. Verhandlungen
Die meisten produzierenden Unternehmen sind abhängig von funktionierenden, verzahnten Abläufen. Beispiel HENN: Der Hersteller von Schnellkupplungen für Ladeluft- und Kühlwassersysteme der Automobilindustrie ist das Bindeglied zwischen Lieferanten und Kunden.
„Die meisten unserer Lieferanten sind in Europa, vorwiegend aus Österreich und Deutschland. Unsere Kunden befinden sich auf der ganzen Welt – von den USA bis nach Japan. Wir haben uns selbst das Ziel gesetzt, den CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten, um unseren Beitrag zu einer nachhaltigeren Umgebung zu leisten”, so CEO Matthias Nicolussi. Doch genau da rieselt auch der Sand ins Getriebe.
„HENN steht im globalen Wettbewerb mit Unternehmen aus der ganzen Welt. Ich würde mir daher eine raschere Anpassung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen an die sich schnell verändernden volkswirtschaftlichen Gegebenheiten wünschen. Dieses Gap zu meistern, ist oft herausfordernd.” Damit spielt Nicolussi auf nachhaltig tragbare Lösungen und eine geschlossene Haltung für wirtschaftliche Kompromisse an. Der globale Zusammenschluss müsse besser erfolgen, denn Österreich oder die EU könne nicht alle Herausforderungen alleine stemmen. Der Wettbewerb gebe eine enorme Geschwindigkeit vor, die im Gegensatz zu einigen Gehalts- und Arbeitszeitforderungen stehe. „Es gibt Regionen auf der Welt, die bereit sind, diesen globalen Speed zu halten und wenn wir hier nicht mitziehen, wird es für uns zukünftig schwerer, im Wettbewerb zu bestehen”, ergänzt Nicolussi.
Der Fachkräftemangel und die Verlockung durch benachbarte Lohnnebenkosten-Oasen wie die Schweiz und Liechtenstein verstärken den Druck. Als Ziel formuliert Nicolussi ganz klar die Stärkung der eigenen wirtschaftlichen Schlagkraft, um gegen das Aussterben der Industrie in Europa vorzugehen. „Dafür braucht es eine strukturierte Abstimmung und eine gemeinsame
Wirtschafts- und Umweltpolitik. Ohne die eine über die andere zu stellen.”
Dieser Artikel stammt aus dem Magazin Vorarlberger Wirtschaft Ausgabe #002.
Autorin: Veronika Mennel ist seit 2016 freie Texterin für unterschiedliche
Unternehmen in Vorarlberg, Tirol, Deutschland und der Schweiz.