Im Dialog mit den Gremien will Karlheinz Kopf den Standort Vorarlberg gestalten.
Seit Jahresbeginn ist Karlheinz Kopf als Nachfolger von Wilfried Hopfner Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV). Im großen Interview spricht der Altacher über seine neue Aufgabe, die WKV als starke Interessensvertretung zu positionieren und zieht Parallelen zum Fußball.
↗ Eigentlich wollten Sie sich mit dem Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur bei der Nationalratswahl und nach Auslaufen Ihres Vertrages als Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) aus öffentlichen Funktionen zurückziehen. Was hat Sie bewogen, umzudenken und das Angebot anzunehmen, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg zu werden?
Karlheinz Kopf: Für mich war immer klar, dass meine Entscheidung für einen Pensionsantritt nicht gleichbedeutend sein würde mit einem klassischen Gang in den Ruhestand. Es war zunächst einmal die Entscheidung dafür, den Lebensmittelpunkt nach 30 Jahren des Pendelns zwischen zwei Welten – Vorarlberg und Wien – wieder weitestgehend nach Vorarlberg zu verlagern. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, für die Vorarlberger Unternehmen in dieser Funktion arbeiten zu dürfen.
↗ Sie waren 30 Jahre lang Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat, seit 2018 Generalsekretär der WKO und haben damit einen sehr guten Überblick über den Standort Österreich. Auf welche Faktoren wird es zukünftig in der ganzen Republik ankommen?
Karlheinz Kopf: Neben der aktuell schwierigen konjunkturellen Situation sind die Demografie und die Wettbewerbsfähigkeit
die größten, auch längerfristigen Herausforderungen. Zur konjunkturellen Belebung braucht es rasch attraktive Investitionsanreize. Für unsere schwächelnde Exportwirtschaft brauchen wir mit Unterstützung unserer Außenwirtschaftsorganisation dringend die Erschließung neuer Absatzmärkte. Wichtig sind außerdem die weitere Stärkung der Lehre, ein Ausbau des FH-Angebots, ein Ausbau der ganztägigen/-jährigen Kinderbetreuung in Form frühkindlicher Bildung und eine echte Offensive für qualifizierte Zuwanderung.

↗ Worauf kommt es bei Forschung und Entwicklung an?
Karlheinz Kopf: Unter anderem auf den Ausbau und die Sicherung des Zugangs zu Forschungs- und Technologieinfrastruktur,
um in Schlüsseltechnologien wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz und erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig zu bleiben. Und nur durch gezielte Investitionen in Forschung, Bildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit kann Österreich langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Für Vorarlberg bedeutet das eine verstärkte Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen in der Grenzregion, einen weiteren Ausbau der eigenen Strukturen sowie eine enge Vernetzung mit der Wirtschaft.
↗ Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken und Schwächen des Standorts Vorarlberg?
Karlheinz Kopf: Vorarlberg ist wirtschaftlich stark und zeichnet sich durch eine hohe Innovationskraft und Exportquote
sowie eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur aus. Rückgrat ist nicht nur eine exzellente Industrie- und Exportbasis, sondern
sind auch die vielen „Hidden Champions” in verschiedensten Markt- und Produktnischen. Besonders im Bereich Maschinenbau, Metallverarbeitung und Kunststoffindustrie ist Vorarlberg ein bedeutender Standort. Nicht vergessen darf man auch die vielen erfolgreichen KMU bzw. EPU, die die Wirtschaftsstruktur bereichern. Zudem ist Vorarlberg aufgrund seiner Lage und Schönheit nicht nur touristisch stark, sondern auch ein beliebter Stand- und Arbeitsort.
↗ Welche Rolle spielen Familienbetriebe und Ein-Personen-Unternehmen in Vorarlberg? Welche soll ihnen zukünftig zukommen?
Karlheinz Kopf: Familienbetriebe bilden das Rückgrat der Vorarlberger Wirtschaft. Unsere überwiegend mittelständischen
Familienunternehmen sind in besonderem Maße mit der Region verbunden, leben unternehmerische Nachhaltigkeit über Generationen hinweg und prägen so die Wirtschaftsstruktur des Landes. Zudem sind sie oft Vorreiter in innovativen, nachhaltigen und umweltfreundlichen Geschäftsmodellen und gestalten damit entscheidend die Zukunft mit. Die vielen Ein-Personen-Unternehmen sind das Sinnbild für Gründergeist und Risikobereitschaft. Sie entscheiden sich für ein Stand-alone-Dasein, arbeiten im Netzwerk mit anderen EPU oder wachsen kontinuierlich zu Arbeit gebenden KMU. Die Zahl und Bedeutung der EPU wächst stetig und ist aus der Unternehmenslandschaft nicht mehr wegzudenken.

↗ Ihre große Leidenschaft für Fußball ist bekannt. Um die Fußballsprache auf die Standortpolitik zu übertragen – was schwebt Ihnen vor? Ein abwehrendes Vorgehen, als Mittelfeldregisseur Fäden ziehen oder wie ein Stürmer eigene Tore schießen?
Karlheinz Kopf: Wahrscheinlich am ehesten in der Rolle eines nationalen Verbandspräsidenten. Er gestaltet mit seinen Gremien die nationalen Rahmenbedingungen für den Fußball im eigenen Land, beispielsweise Infrastruktur und Spielberechtigungen. Mit kluger Gestaltung auf diesem Gebiet kann man leistungsfördernde Bedingungen schaffen. Die beachtlichen Leistungen der „Nationalmannschaft” zeugen von guter Arbeit der Vergangenheit. Da sah ich mich schon in der Rolle des Stürmers im Kampf um verbesserte Rahmenbedingungen. Gespielt wird aber nach internationalen einheitlichen Regeln. Wenn aktuell manche „Große der Weltwirtschaft” mit protektionistischen, prohibitiven Regelungen versuchen,
Wettbewerbsvorteile zu erzielen, also beispielsweise mit 12 Mann/Frau spielen, oder das Tor des Gegners größer ist als das eigene, dann ist das eindeutig ein Verstoß gegen diese Spielregeln. Das findet aktuell vor allem gerade seitens der USA und Chinas (Zölle, Subventionen etc.) statt. Da hat‘s dann auch der nationale Verbandspräsident schwer.
↗ Wie sieht eine zeitgemäße Interessensvertretung für Sie aus?
Karlheinz Kopf: Eine gute, effiziente wirtschaftspolitische Interessenvertretung ist ständig mit ihren Mitgliedsfirmen im Austausch über die Wirkungsweise der aktuellen Rahmenbedingungen und erwirkt, wenn nötig, bei den politischen Entscheidungsträgern entsprechende Reformen. Das erfordert ein hohes Maß an Empathie für unternehmerische Belange,
inhaltliche und kommunikative Kompetenz innerhalb der Organisation und ein ebenso hohes Maß an Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit der Entscheidungsträger. Auf diese Weise leistet eine starke Wirtschaftskammer einen entscheidenden Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und unterstützt den Erhalt unseres Wohlstandes durch Leistung, Innovation und Wachstum.
Fotos: Frederick Sams
Das Gespräch führte Thorsten Bayer, der seit 2011 als freier Texter und Lektor für Auftraggeber
aus Industrie, Verwaltung, Kultur und Tourismus tätig ist, sowie mit Medien-, PR- und Werbeagenturen zusammenarbeitet.
Dieser Artikel stammt aus dem Magazin Vorarlberger Wirtschaft Ausgabe #005.