Vorarlberg soll der chancenreichste Lebensraum für Kinder sein.
Landeshauptmann Markus Wallner spricht über Vorarlberg als Technologiestandort, als „Land der Lehre”, benennt aktuelle Projekte und wirbt für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
↗ Der Athener Staatsmann Perikles sagte im 5. Jahrhundert v. Chr.: „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Wie gut ist der Standort Vorarlberg auf die Zukunft vorbereitet und warum?
Markus Wallner: Dass es unmöglich ist, die Zukunft vorauszusagen, haben uns die vielfältigen Krisen der letzten Jahre eindrucksvoll gezeigt. Man sagt ja: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.” Das bedeutet für mich, dass man aus den Erfahrungen – also sowohl aus den Erfolgen als auch aus den Fehlern – Lehren für die Gestaltung der Zukunft zieht. Die Krisen haben uns gezeigt, dass wir überall dort, wo wir selbst Verantwortung hatten und Entscheidungen treffen konnten, tendenziell besser ausgestiegen sind. Das heißt, wir wollen die Vorarlberger Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bestmöglich bewahren. Auch ist klar, dass man in der Zukunft sicher finanzielle Spielräume brauchen wird. Wir müssen daher auf unser Vermögen schauen und verantwortungsvoll für finanzielle Stabilität sorgen.
Ebenfalls ganz wichtig: Wir müssen digitale Kompetenzen ausbauen. Dazu gehört einerseits die Infrastruktur, die unser Landesunternehmen illwerke vkw in den nächsten zehn Jahren massiv ausbauen wird, aber auch das Wissen – das ist für den Standort mitentscheidend. Und der gesellschaftliche Zusammenhalt muss stimmen, das ist wichtig für die Lebensqualität. Wenn wir diese Punkte erfolgreich umsetzen, und dahingehend schaut es recht vielversprechend aus, dann sind wir und unser Wirtschaftsstandort sehr gut auf die Zukunft vorbereitet.
↗ Benennen Sie bitte ein oder zwei Beispiele, welche Projekte derzeit laufen oder vorbereitet werden, welche die Zukunftsfähigkeit Vorarlbergs erhalten oder sogar verbessern.
Markus Wallner: Zum Sommerbeginn haben wir die neue Wissenschafts- und Forschungsstrategie vorgestellt, die einige Maßnahmen enthält, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Durch verstärkte Bildungsangebote im MINT- und High-Tech-Bereich wollen wir den Nachwuchs optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Ein zukunftsweisendes Projekt ist die Initiative „Digital Campus Vorarlberg”. Hier werden Fachkräfte in den Bereichen IT und Digitalisierung ausgebildet, um den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken und Vorarlberg als Technologiestandort weiter zu stärken. Und weitere, verstärkte Investments in Wissenschaft und Forschung sichern die Zukunftsfähigkeit ab.
↗ Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Was halten Sie vom Modell einer Vier-Tage-Woche? Und welche Antworten haben Sie auf die Fragen des Facharbeitermangels?
Markus Wallner: Arbeitszeitregelungen sind bei uns traditionellerweise eine Sache der Sozialpartner. Dort ist diese Frage seit Jahrzehnten gut aufgehoben. Viel wichtiger ist es, vorhandene Potenziale zu nutzen, also Leute zu motivieren, ihre Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Dafür müssen Anreize geschaffen werden, beispielsweise die komplette Steuerfreiheit von Überstunden, die Attraktivierung von Arbeit nach Erreichen des Pensionsalters oder auch ein Vollzeitbonus. Natürlich muss damit auch ein gutes Angebot an Kinderbetreuung einhergehen, da gehen wir mit dem neuen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz sehr zielstrebig und rasch in die richtige Richtung. Die Frage der Fachkräfte ist natürlich eine große. Ich bin aber überzeugt, dass unser Vorarlberger Weg ein guter ist: Wir sind das Land der Lehre und fördern die duale Ausbildung nach Kräften. Dieses Modell – ergänzt durch gezielte Rekrutierung von Expertinnen und Experten aus anderen Staaten – ist mehr als zukunftsfähig.
Foto: Studio Fasching
↗ Immer unübersehbarer wird der Klimawandel mit seinen Folgen. Nicht erst in Zukunft, sondern schon heute. Was macht Sie optimistisch, einen effektiven Klimaschutz zu erreichen?
Markus Wallner: Uns ist allen bewusst, dass man sich auf das sich verändernde Klima einstellen muss. Wir gehen diese Herausforderung aktiv an und setzen mit unserer Strategie zur Energieautonomie 2050 wie kaum ein anderes Land auf eigene, erneuerbare Energien. Das Lünerseewerk II wird das größte Pumpspeicherkraftwerk Mitteleuropas werden. Die Anzahl der Photovoltaikanlagen hat sich im Land in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. Und wir bereiten uns auch auf eventuelle Folgen des Klimawandels vor. Extremwetterereignisse werden mehr. Daher investieren wir kräftig in Katastrophenschutz. Das Projekt RHESI ist beispielsweise das größte Hochwasserschutzprojekt Europas und schützt beide Seiten des Rheins vor einem Schadenspotenzial von rund 13 Milliarden Euro.
↗ Welches Zukunftsthema ist Ihnen persönlich noch besonders wichtig?
Markus Wallner: Die Vision mit unserer „Marke Vorarlberg” ist es, der chancenreichste Lebensraum für Kinder und Jugendliche zu sein. Das ist auch eine große Standortfrage. Denn nur wenn sich die junge Generation wohlfühlt, ist sie motiviert zu lernen und etwas beizutragen. Wir verhindern damit einen „Brain Drain”, den es in anderen Bundesländern gibt. Auch für Fachkräfte von außen ist es attraktiv, wenn sie wissen, dass ihre Kinder hier sicher sind, eine gute Bildung, gesunde Ernährung bekommen und ihre Freizeit attraktiv gestalten können.
↗ Ein kurzes Gedankenspiel: Wenn Sie eines Tages Ihr Amt übergeben – wie sieht dieses Vorarlberg der Zukunft dann aus?
Markus Wallner: Ich hoffe natürlich, dass ich dieses Amt noch eine Weile ausüben darf. Aber für die Zukunft stelle ich mir ein Vorarlberg vor, das sich durch eine nachhaltige Wirtschaftskraft, hohe Lebensqualität und eine intakte Umwelt auszeichnet. Ein Land, das dank innovativer Technologien und starker Gemeinschaften resilient und zukunftssicher ist. Wir haben gleichwertige Lebensbedingungen in den Talschaften und den Städten, unser Land ist lebendig, vernetzt und bietet den Bürgerinnen und Bürgern alle Chancen zur persönlichen und beruflichen Entfaltung. Bildung, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit sind auf hohem Niveau, und die Menschen sind stolz auf ihre Region und engagiert in ihrer Weiterentwicklung. Ein Vorarlberg, das seine Traditionen bewahrt und gleichzeitig offen für die Zukunft ist – das ist mein Wunsch.
Dieser Artikel stammt aus dem Magazin Vorarlberger Wirtschaft Ausgabe #003.
Das Gespräch führte Thorsten Bayer, der seit 2011 als freier Texter und Lektor
für Auftraggeber aus Industrie, Verwaltung, Kultur und Tourismus tätig ist,
sowie mit Medien-, PR- und Werbeagenturen zusammenarbeitet.